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Schwedensäule bei Erfelden

„Wessen ist die Säule bei den Eichen,
Was doch soll der Löwe mit dem Schwert?
Ist es des Erob'rers Siegeszeichen,
Der ein Volk vertrieb von Hof und Herd?
Hat ein Edler hier den Tod gefunden?
Traf ihn hier ein Dolch von welscher Hand?
Daß der Löwe, zürnend seiner Wunden,
Zückt das Eisenschwert gen Frankenland?“
(Hermann Kromm: Die Schwedensäule bei Erfelden [Für die Feste und Freunde des Gustav-Adolf-Vereins 99]. Barmen 1889, S.29.)

Diese Fragen stellt der hessische Ministerialrat Ludwig Baur wohl 1871 in einem Gedicht. Er steht dabei vor der so genannten Schwedensäule nahe Erfelden. Mit diesem Gedicht erinnert Baur an den Rheinübergang und den anschließenden Kampf des schwedischen Heeres unter König Gustav II. Adolf 1631, also mitten im Dreißigjährigen Krieg. In diesem konfessionell aufgeladenen Konflikt kämpften die Schweden mit den deutschen Protestanten und Frankreich gegen den katholischen Kaiser und seine spanischen Verbündeten. Auf seinem Weg nach Mainz, eine der katholischen Hochburgen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, zog der schwedische König gemeinsam mit seinem Heer durch Erfelden, wo er den Rhein überqueren wollte. Einer Legende zufolge hatten allerdings die feindlichen Truppen der Spanier zuvor sämtliche Boote zerstört, um das schwedische Heer in seinem Vormarsch zu stoppen. Doch von einer solchen Kleinigkeit lässt sich Gustav II. Adolf nicht aufhalten und befiehlt kurzerhand, die Scheunentore des Ortes auszuhängen, um auf ihnen die Truppen überzusetzen. Am anderen Ufer werden die Schweden bereits von spanischen Einheiten erwartet, können sich jedoch in der folgenden Schlacht durchsetzen. Daraufhin ziehen sie weiter nach Mainz, das sie kurze Zeit später erobern. Ministerialrat Baur schreibt weiter:

„Sieg ist, wo der große König schreitet,
Und auch hier krönt Sieg den Heldenmut.
Wo der wackre Schwede schreitet
Fließt in Strömen seiner Feinde Blut.
Von der Wälschen [= Franzosen] schrecklichen Erbleichen,
Von dem lauten Schwedenschwerterklang
Zeugt das hohe Denkmal bei den Eichen
Wohl noch manch Jahrhundert uns entlang.“
(Hermann Kromm: Die Schwedensäule bei Erfelden [Für die Feste und Freunde des Gustav-Adolf-Vereins 99]. Barmen 1889, S.29f.)

Nach der Eroberung von Mainz beauftragt der schwedische König den in Frankfurt am Main lebenden Baumeister Mathaeus Staud mit der Planung und Errichtung einer Säule an der Stelle der Rheinüberquerung. So entstand 1632 eines der ältesten, heute noch intakten Denkmäler des Dreißigjährigen Krieges im Natutschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsauhe.
In unmittelbarer Nähe zum Sommerdeich des Altrheins befindet sich eine eingeebnete runde Fläche, deren Mitte die Schwedensäule bildet. Drei Stufen führen zu einem Sockel, auf dem auf vier Kugeln ein Obelisk ruht. Auf der Spitze des Obelisken thront ein auf seinen Hinterläufen sitzender Löwe mit behelmtem und gekröntem Haupt – das Wappentier Gustav Adolfs, der auch als Löwe von Mitternacht in die Geschichte einging. Das Visier des vergoldeten Helms ist geschlossen. Mit der rechten Vordertatze streckt er ein Schwert drohend nach vorn in die Richtung, in der das schwedische Heer 1631 in die Schlacht gegen die Spanier gezogen ist.
Zur Zeit jedoch herrscht einige Verwirrung um die Frage, ob die heutige Ausgestaltung des Denkmals auch der ursprünglichen entspricht. Betrachtet man ältere Darstellungen der Schwedensäule, wie sie beispielsweise im Theatrum Europaeum (1633) erschien, stößt man auf eine andere, weniger kriegerische Gestaltung des Löwen auf ihrer Spitze. Zwar trägt er auch dort einen geschlossenen Helm, als sei er bereit zum Kampf, doch schultert er das Schwert und streckt es nicht drohend in Richtung des Feindes. Auch das Porträt Gustav II. Adolf, das 1632 entstand und im Philipp Schäfer II Museum in Erfelden zu besichtigen ist, zeigt den Löwen mit geschultertem Schwert.
Wie kommt es nun zu dieser Diskrepanz zwischen der frühen bildlichen Darstellung und der heutigen Gestaltung des Denkmals? Eine Antwort findet sich im Deutschen Sagenbuch (1853) des deutschen Schriftstellers Ludwig Bechstein (1801-1860), in einer Erzählung über die Schwedensäule, in der es heißt:

„Nun trug sich's zu, daß hernach, als der tapfere Schwedenheld bei Lützen (1632) gefallen war, wieder Kaiserliche diese Gegend besetzten. Da unternahm es ein kaiserlicher Officier nicht ohne Gefahr, den hohen Obelisk zu erklettern, um das Schwert dem Löwen aus der Tatze zu nehmen, dann später dasselbe als ein Siegeszeichen dem Kaiser Ferdinand II. darzubringen, großer Belohnung, vielleicht einer güldenen Kette sich verheißend. Aber der Kaiser wurde überaus zornig über dieses Geschenk, und sagte zu dem Officier: wie konnte Er sich unterfangen, eines so großen und tapfern Helden Denkmal zu berauben und zu verunehren? Ihm gebürt eigentlich ein Strick um den Hals, als einem Räuber. - Und hat der schwedische Löwe sein Schwert hernachmals wieder erhalten.“

Sollte sich diese Geschichte tatsächlich so zugetragen haben, wie Bechstein berichtet, so könnte dem Löwen nach dem Raub das Schwert verkehrt herum, also nach vorne gestreckt, in die Tatze gelegt worden sein. Eine Geschichte, die durch einen Bericht des Amtes Dornberg von 1696 über das Fehlen des Schwertes gestützt wird. Wann der Löwe das Schwert zurückerhielt, kann nicht exakt datiert werden. Am wahrscheinlichsten geschah dies bei einer umfangreichen Restaurierung 1706. Fehlte das Schwert tatsächlich, könnte der beauftragte Baumeister das Denkmal bei seinen Arbeiten umgestaltet haben.
Die Restaurierung war die zweite notwendige Maßnahme zum Erhalt der Schwedensäule seit ihrem Bau. Die Mittel dazu kamen aus Schweden. Von 1632 bis 1834 kam die schwedische Staatskasse finanziell für den Erhalt der Säule auf. In diesem Zeitraum musste die Schwedensäule zweimal vor dem steigenden Rheinpegel gesichert werden. Bereits 1698 drohte dem Denkmal die Unterspülung. Dieser Gefahr begegnete man, indem man ein Flechtwerk um den Sockel der Säule anbrachte, um so die Kraft des Flusswassers zu mindern. Doch eine dauerhafte Entlastung des Denkmals hatten diese Vorkehrungen nicht zur Folge und so beschloss das schwedische Königshaus 1706 die Versetzung der Schwedensäule ein paar Meter weiter entfernt vom Rhein. Auch davon berichtet Bechstein:

„Auch ist die Schwedensäule späterhin, als sie den Wogen des Rheins und dem Eisgange allzunahe und zu gefährlich stand, abgebrochen und besser landeinwärts gesetzt worden.“


Kugeln als Verbindung zwischen Sockel und Säule
Ein marmorner Löwe auf einer hohen Säule, in der rechten Klaue ein bloßes Schwert, auf dem Kopf eine Sturmhaube tragend.

Kupferstich der Schwedensäule nach Merian
Löwenkopf mit Sturmhaube
Fundstücke von dem  Bereich der Schwedensäule, gesehen um Museum Erfelden
Gustav II. Adolf, gesehen im Museum in Erfelden

Die Finanzierung der Sicherungsarbeiten an diesem Denkmal durch die schwedische Staatskasse stellt eine Besonderheit dar. Die Schwedensäule stand nach ihrem Bau nicht in einem von Schweden besetzten Gebiet. Auch nach dem Westfälischen Frieden, in dem die Schweden Gebiete im Norden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zugesprochen bekommen hatten, gehörte die Ried-Region nicht zum schwedischen Territorium. Trotzdem bemühte sich die schwedische Regierung um den Erhalt der Säule, was wegen der Versetzung der Säule 1706 durchaus höhere Summen erforderte. Dazu kommt, dass die Schwedenzeit im Norden Deutschlands bereits 1815 beendet war. Bis auf den heutigen Tag bleibt die Frage rätselhaft, wieso die schwedische Staatskasse noch weitere 19 Jahre für die Restaurierung und den Erhalt des Denkmals im Ried aufkam und die Verantwortung erst 1834 an die großherzoglich-hessische Staatskasse übergab.
In der Zeit, in der die hessische Regierung die Verantwortung für die Schwedensäule übernahm, gewann dieses Denkmal zunehmend an Bekanntheit. Vor allem im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wurde die Erinnerung an den schwedischen König Gustav II. Adolf in Deutschland immer populärer. So erzählt auch beispielsweise Schiller in seiner Geschichte des Dreißigjähriegen Kriegs (1790-1792) von der Schwedensäule:

„Ein marmorner Löwe auf einer hohen Säule, in der rechten Klaue ein bloßes Schwert, auf dem Kopf eine Sturmhaube tragend, zeigte noch siebenzig Jahre nachher dem Wanderer die Stelle, wo der unsterbliche König den Hauptstrom Germaniens passierte.“

Vor allem jedoch trug das 1834 gegründete Gustav-Adolf-Werk zur Popularität des Denkmals bei. Neben der finanziellen Unterstützung protestantischer Minderheitengemeinden widmete sich dieses protestantische Hilfswerk auch den Denkmälern seines Namensgebers. Veröffentlichungen über und vereinsinterne Feste am Denkmal im Ried machten die Schwedensäule unter den Protestanten in ganz Deutschland bekannt. Welch große Wirkung die Arbeit des Gustav-Adolf-Werks hatte, zeigt sich am Beispiel der Feierlichkeiten zu Himmelfahrt 1932. An diesem Tag wanderten zwischen 12.000 und 15.000 Besucher zur Schwedensäule, um dort gemeinsam den Feiertag zu begehen. Doch auch zum Erhalt des Denkmals trug das Gustav-Adolf-Werk bei. Im März 1945 beschossen Soldaten der Besatzungstruppen die Schwedensäule. Dabei stürzte der Löwe herab und wurde vollständig zerstört. Bereits 1946 begannen die Planungen zur Restaurierung des Denkmals, allerdings fehlten lange Zeit aufgrund der schwierigen Nachkriegssituation die finanziellen Mittel. Erst 1950 konnten die Arbeiten, auch dank der Unterstützung des Gustav-Adolf-Werkes, beginnen und so erstrahlte die Schwedensäule ab 1951 wieder in ihrer alten Pracht.
In den 50er Jahren gab es Bemühungen von Seiten einzelner engagierter Bürger, auch den Platz rund um das Denkmal neu zu gestalten. Die Pläne sahen eine parkähnliche Anlage mit Bänken und Tischen vor. Den Weingutbesitzern Gustav Adolf Schmitt aus Nierstein und Ernst Jungkenn aus Oppenheim gelang es, Kontakt zum schwedischen Königshaus herzustellen, das die Bereitschaft zur finanziellen Beteiligung an den erforderlichen Arbeiten signalisierte. So konnte 1962 mit der Unterstützung des schwedischen Königs die Neugestaltung der Anlage mit einem großen Fest begangen werden.
1953 entstand in Erfelden zudem das nach seinem Gründer benannte Philipp Schäfer II. Museum, das sich der Heimatgeschichte des Ortes widmet, vor allem dem Rheinübergang Gustav Adolfs. Um dem Gedenken an den schwedischen König den richtigen Rahmen zu bieten, wurde 2007 das Schwedenzimmer eingerichtet, das auch dank einer Benefizradtour einiger Riedstädter Bürger von Oslo bis ans Nordkap im Jahre 2005 und der damit verbundenen Spendensammlung verwirklicht werden konnte.
In der Ried-Region, aber besonders in Erfelden, zeigt sich also bis heute eine äußerst lebendige Erinnerungstradition an den Dreißigjährigen Krieg und einem seiner Protagonisten, Gustav II. Adolf. Interessierten sei ein ca. fünf Kilometer langer Spaziergang von Riedstadt-Erfelden aus in das Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue bis zur Schwedensäule empfohlen ( Elisabeth-Langgässer-Wanderweg). Auch ein Besuch des
Heimatmuseums Erfelden mit dem Schwedenzimmer ist auf der Spurensuche der Schweden im Ried lohnend.


Literatur (in Auswahl):
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Leipzig 1853.
Wolfgang Fritzsche: Die Schwedensäule bei Erfelden. In: Denkmalpflege & Kulturgeschichte 1 (2003), S. 36-41.
Hermann Kromm: Die Schwedensäule bei Erfelden (Für die Feste und Freunde des Gustav-Adolf-Vereins 99). Barmen 1889.
Hans Pehle: Der „Rheinübergang“ des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf. Ein Ereignis im Dreißigjährigen Krieg. Riedstadt 2005.

Kupferstich der Schwedensäule (siehe oben)
Es handelt sich um die Darstellung der Schwedensäule im Theatrum Europaeum, eine der ältesten Darstellungen.
Nachweis für dieses Bild:
Kupferstich der Schwedensäule nach Merian. Quelle: Theatrum Europaeum. Bd. 2, Frankfurt a. M. 1646, S. 492,II.


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Schwedensäule

Schwedensäule, rechts: Feutner Eiche

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Frau
Nina Fehlen, M.A.
E-Mail
Der Artikel greift einen Aspekt des Dissertationsvorhabens „Die 'Erinnerungsorte' des Dreißigjährigen Krieges – Ausprägungen einer materiellen Gedächtniskultur von 1945 bis heute“, das an der Eberhard Karls Universität Tübingen bei Herrn Professor Dr. Matthias Asche entsteht, heraus.



Anfahrt Parkplatz "Schwedensäule"

Karte

B44 Richtung (Riedstadt)-Erfelden oder -Leeheim.

-Leeheim, Erfelder Straße -> K156 -> Erfelden.
Am Hochwasserdam abbiegen -> Schwedensäule

- Erfelden, Wilhelm-Leuschner-Straße -> Leeheim -> K156
Am Hochwasserdam abbiegen -> Schwedensäule

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